Bewertung : 9 von 10 Punkte

Bis zum heutigen Tag gibt es wohl kaum ein bedeutendes Werk von Stephen King, welches noch nicht verfilmt wurde. Viele der daraus hervorgegangenen Streifen wurden von ihm verteufelt, doch ob mit oder ohne seine Zustimmung, es ist nicht zu leugnen, dass Filme wie “Carrie”, “Es” oder “Shining” ihren Status als Klassiker in der Geschichte der Horrorfilme durchaus verdient haben.
Bei “The Night Flier” handelt es sich nun um die Umsetzung einer Kurzgeschichte, die King für seine Sammlung “Albträume” (1993) geschrieben hat. Weder die Geschichte im Buch, noch der vier Jahre später erschienene Film waren bislang große Gesprächsthemen der Massen, obwohl Letzterer es sogar in die Kinos geschafft hat. Ob dem mysteriösen ‘Nachtflieger’ damit Unrecht getan wurde, soll im Folgenden herausgefunden werden.
Alles für die Titelseite
Nachdem der titelgebende Antagonist in der Eröffnungsszene seinen ersten, blutigen Mord begangen hat, wird die eigentliche Hauptfigur vorgestellt: Richard Dees, gespielt von Miguel Ferrer, ist der erfolgreichste Reporter des Magazins “Inside View”, welches sich vorrangig mit Skandalen und schockierenden Enthüllungen befasst.
Schockierend ist auch Dees’ Verhalten gegenüber seinen Mitarbeitern; es wird sehr schnell deutlich, dass es sich um einen egoistischen Einzelgänger handelt, für den seine Arbeit und der damit verbundene Ruhm, regelmäßig auf der Titelseite abgebildet zu sein, an erster Stelle stehen.
Entsprechend kühl wird auch Katherine Blair (Julie Entwisle) von ihm begrüßt, die als neue Mitarbeiterin ihren ersten Tag bei “Inside View” hat.
Im Folgenden erfährt er erstmals von dem ‘Nachtflieger’, einem Serienmörder, der bei Dunkelheit abgelegene Flughäfen anfliegt, Menschen tötet und wieder verschwindet – genau das richtige Thema für Dees, findet sein Chef Mr. Morrison (Dan Monahan).
Zunächst ist der Starreporter wenig überzeugt, weswegen der Fall an Katherine geht. Erst als der ‘Nachtflieger’ nach weiteren Morden noch immer unbehelligt davonkommt, wittert Richard eine weitere große Story und entzieht seiner Kollegin kurzerhand ihren Auftrag. Eine spannende Jagd beginnt, bei der Dees mehr als einmal eher wie ein Ermittler als ein Reporter wirkt. Und mit jedem Mord verwischt das zunächst noch menschliche Bild des Verantwortlichen …
Düstere Schauplätze, düstere Atmosphäre
Die Stimmung betreffend kann “The Night Flier” wahnsinnig punkten! Der Großteil des Films spielt nachts, bei Regen oder Nebel und selbst Szenen am Tag wirken düster und kalt, irgendwie herbstlich.
Zusammen mit passenden Schauplätzen (ein Friedhof, eine Leichenschauhalle und die wirklich gottverlassen wirkenden Flugplätze auf dem Land) und dem konsequenten Einzelgängerdasein der Hauptperson erzielt Regisseur Mark Pavia eine dunkle, bedrohliche Atmosphäre: Wie soll ein Einzelner, bewusst die Hilfe der Polizei ausschlagend, gegen das Böse bestehen, welches sich in der schwarzen Cessna Skymaster 337 übers Land bewegt?
Stichwort ‘Böse’: Wenngleich die Morde des ‘Nachtfliegers’ bestialisch erscheinen, erhält er durch seine überraschende Geduld mit seinem Verfolger teilweise regelrecht gentlemanhafte Züge. So lässt er Dees in einer Bar eine seiner (zahlreichen) Warnungen in Kombination mit einem Drink servieren und gibt ihm selbst dann noch die Chance, heil davonzukommen, als sie sich beim Finale letztlich gegenüberstehen.
Des Weiteren wird unterschwellig eine gewisse Verbindung zwischen den beiden deutlich: Beide sind vom Tod ständig umgeben und beide leben vom Tod; Richard Dees, indem er darüber berichtet, und der im Film Dwight Renfield genannte ‘Nachtflieger’ … auf eine andere Weise.
“Da kommt noch was!”
Einer der vielen faszinierenden Aspekte des Films ist, dass man als Zuschauer förmlich spürt, wie der Protagonist seinem Ziel immer näher kommt. Sobald Richard Dees sich an den Fall begibt, beginnt die Spannung und wird bis zum dramatischen Ende aufrechterhalten. Als sein Chef ihm dann noch mehr aus einer Laune heraus die von vornherein etwas naiv und unsicher wirkende Katherine als unerwünschte Verstärkung schickt, steigert sich das Ganze noch, denn was auch immer da durch die Nacht fliegt, man will lieber, dass der selbstsichere Mann den Kampf aufnimmt, als die ‘zerbrechliche’ Frau. Letztlich kommt Dees Egoismus Katherine nur zugute, doch an dieser Stelle sei nicht zu viel verraten.
Auch recht deutliche Gesellschaftskritik kommt bei “The Night Flier” nicht zu kurz. Sei es die menschliche Sensationslust rund um die Thematik Tod, das rücksichtslose Vorgehen der Paparazzi (Dees schreckt für ein gutes Foto nicht einmal vor Grabschändung zurück) oder das bewusste Verdrehen der Wahrheit: Es werden so einige Missstände angeprangert, und keiner davon unrechtmäßig.
Ein Hauptdarsteller in Höchstform
Was die Darsteller angeht, hier liefert jeder eine reife Leistung ab: John Bennes stellt glaubwürdig den tattrig wirkenden Flugplatzwart dar, Dan Monahan bringt ebenso glaubwürdig den unecht lächelnden Bürohengst über die Bühne und Elizabeth McCormick wirkt allein schon durch ihr Äußeres und den verträumten, starren Blick unheimlich. Und trotzdem werden alle an die Wand gespielt! Miguel Ferrer mimt den unsympathischen Egomanen Dees so glaubwürdig, dass man aufpassen muss, keine Antipathie dem Schauspieler gegenüber zu entwickeln und die Rolle von der Privatperson zu trennen. Würde der Werdegang von Richard Dees nicht ohnehin den meisten Teil des Films beanspruchen, würde er allen anderen auf alle Fälle die Show stehlen.
Selbst der kurze, ‘richtige’ Auftritt von Dwight Renfield (Michael H. Moss) am Ende des Films überzeugt auf ganzer Linie. Dass es sich um einen Vampir handelt, kann man, denke ich, ohne große Spoilergefahr verraten, die Zeichen sind einfach zu eindeutig. Den gibt es jedoch in einer menschlichen und einer nicht-menschlichen Version und der Gegensatz könnte nicht größer sein. Handelt es sich bei dem Menschen noch um einen attraktiven, jungen Mann, haben sich die Maskenbildner für das Monster eine wirklich grässliche Fratze ausgedacht, vollkommen ohne Spezialeffekte und auch fern jeglicher Klischees.
Fazit
Mit einem Budget von nur einer Millionen Dollar ist dem Team um Mark Pavia (um dessen Filmdebüt es sich hier übrigens handelt) etwas gelungen, dass manch anderer Regisseur mit dem Zehnfachen nicht hinbekommt: Ein spannender Horrorfilm, dessen Horrorelemente bis zum Ende eher unter der Oberfläche gehalten werden und der zumindest mir noch lange im Gedächtnis bleibt. Miguel Ferrer brilliert in seiner Rolle, alle anderen spielen ebenfalls gut.
Nach einer zweiten Prüfung im Jahr 2009 wurde dem Film zwar doch die Jugendfreigabe erteilt, trotzdem kommen auch Splatterfans auf ihre Kosten, denn viele der Opfer des ‘Nachtfliegers’ sind wirklich übel zugerichtet, inklusive abgetrennter Köpfe.
Einzig ein paar kleine Logikfehler (die sich mit etwas Fantasie jedoch erklären lassen) und offene Fragen halten mich davon ab, an dieser Stelle die Höchstpunktzahl zu vergeben.
Fakt ist, dass “The Night Flier” zu den besseren, wenn nicht sogar zu den besten Stephen King-Verfilmungen gehört!
Quelle: THE NIGHT FLIER von Blutrabe / NecroWeb Magazin.
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